„Angelegenheiten der Europäischen Union“ – Volksentscheid 3

2. Begründung des Landtags

Im vom Landtag beschlossenen gemeinsamen Gesetzentwurf der Fraktionen von CSU, SPD, FREIE WÄHLER und FDP (LT-Drs. 16/15140) wird zur Begründung Folgendes ausgeführt:

Im Zusammenhang mit der Europäischen Union wird immer wieder ein „Demokratiedefizit“ diskutiert. Durch die Neuregelung in Art. 70 Abs. 4 der Verfassung soll ein Mehr an Demokratie in den nationalen Entscheidungsprozess kommen.

Art. 70 Abs. 4 Satz 1 erhebt – abgesehen von der bereits bestehenden allgemeinen Unterrichtungsverpflichtung gemäß Art. 55 Nr. 3 Satz 2 – die Informationspflicht der Staatsregierung gegenüber dem Landtag in EU-Angelegenheiten, die bislang einfachgesetzlich geregelt ist, in den Verfassungsrang. Die Information des Landtags durch die Staatsregierung ist notwendige Voraussetzung für die Willensbildung und die Entscheidungsfindung im Landtag.

Art. 70 Abs. 4 Satz 2 räumt dem Landtag das Recht ein, die Staatsregierung durch Gesetz in ihren verfassungsmäßigen Aufgaben zu binden, sofern durch die Übertragung von Hoheitsrechten Gesetzgebungszuständigkeiten Bayerns ganz oder teilweise auf die Europäische Union übertragen werden sollen. Davon nicht berührt ist die Übertragung von Hoheitsrechten in Angelegenheiten, für die der Bund die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit besitzt oder bei denen der Bund im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung von seinem Recht der Gesetzgebung Gebrauch gemacht hat, ohne dass die Länder hiervon noch abweichende Regelungen treffen können. Unter den „verfassungsmäßigen Aufgaben“ sind insbesondere die Abstimmungen im Bundesrat zu verstehen. Die Vertreter der Staatsregierung sollen durch ein Gesetz in ihrem Abstimmverhalten gebunden werden können. Damit ist eine Bindung der Staatsregierung auch grundsätzlich im Wege der Volksgesetzgebung möglich. Diese strikte Bindung der Staatsregierung ist angezeigt, da es sich im Fall der Übertragung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf die Europäische Union um einen endgültigen Verlust eigener Rechte des Landtags handelt.

Mit Art. 70 Abs. 4 Satz 3 wird die Staatsregierung grundsätzlich an Stellungnahmen des Landtags gebunden, sofern Vorhaben der Europäischen Union Gesetzgebungszuständigkeiten des Landes unmittelbar betreffen. Während Satz 2 eine absolute Bindungswirkung normiert, die den Ermessenspielraum der Staatsregierung auf Null setzt, bleibt es bei den Vorhaben der Europäischen Union, durch die Gesetzgebungskompetenzen nicht durch die Übertragung von Hoheitsrechten berührt werden, grundsätzlich bei der Entscheidungs-verantwortung der Staatsregierung. Die Bindungswirkung umfasst zum einen Stellungnahmen des Landtags zu Vorhaben der Europäischen Union, die in Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder eingreifen, wie auch zu solchen Vorhaben, in denen die Europäische Union von Zuständigkeiten Gebrauch macht, die zwischen der Union und den Mitgliedstaaten geteilt sind, vorausgesetzt, dass innerstaatlich die Länder zuständig sind. Die Bindung der Staatsregierung an Stellungnahmen des Landtags hat bei Eingriffen der Europäischen Union die Funktion eines Abwehrrechts, im Fall der Ausübung geteilter Zuständigkeiten stellt die Bindung eine Kompensation des Landtags dar für verlorene Zuständigkeiten. Im letzten Fall bleibt zudem der Landtag für die Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union in nationales Recht zuständig und trägt dafür die Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Die Staatsregierung kann in Fällen von Satz 3 zwar von Stellungnahmen des Landtags abweichen, durch die Formulierung „maßgeblich zu berücksichtigen“ wird allerdings ein Regel-Ausnahme-Verhältnis normiert. Es wird der Staatsregierung für Ausnahmefälle Spielraum eingeräumt, um im Bundesrat Kompromisse eingehen zu können.

Wegen der Einzelheiten der Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union wird in Satz 4 auf ein formelles Gesetz verwiesen.

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